Fluch und Heimat
Reise durch das Heilige Land

Während Christen aus aller Welt ins Heilige Land pilgern und das Fest der Liebe feiern, besucht Christiane, Architektin aus Deutschland, ihre Freunde in der Westbank und in Israel. Christiane drängt die Frage, warum der Nahe Osten seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommt. Warum immer wieder die Gewalt explodiert, beide Seiten unversöhnlich aufeinander losgehen. Antworten sucht sie in Bethlehem, Jerusalem, Tel Aviv und Kfar Kamar, einem kleinen Dorf in Nordisrael.

Da ist zum Beispiel Uri Ponger, (76), Jude, lebt in Jerusalem und Tel Aviv. Als Architekt hat er unter anderem das Holocaust-Denkmal auf dem Ölberg entworfen, war für die Planung des jüdischen Viertels in der Jerusalemer Altstadt verantwortlich und hat durch eine Erfindung das jüdische Friedhofswesen revolutioniert. Uri stammt aus Wien. Seine Mutter und er haben als einzige ihrer Familie die Judenvernichtung in Österreich überlebt. Jetzt ist Uris Heimat Israel, weil er sich in der hebräischen Kultur zuhause fühlt und sie nur dort uneingeschränkt leben kann. Den Nah-Ost-Konflikt führt er auf den unüberbrückbaren Unterschied zwischen hebräischer und arabischer Kultur zurück.

Zarema (38) ist Tscherkessin und Moslemin. Sie ist im Kaukasus geboren, hat in Moskau gearbeitet und vor zwei Jahren in Nordisrael ihren Mann kennen gelernt. Eine Woche später hat sie geheiratet und lebt seitdem in Kfar Kamar, einem von zwei Tscherkessendörfern in Nordisrael. Im Krimkrieg gegen Russland sind vor rund 150 Jahren sehr viele Tscherkessen vertrieben worden, haben sich in der Türkei, Syrien, Palästina angesiedelt. Die Tscherkessen sind Moslems und pflegen sehr selbstbewusst ihre Tradition. Sie definieren sich als Vertriebene und träumen bis heute von einem eigenen Staat im Kaukasus. Zum israelischen Staat stehen sie loyal. Zarema kann die Juden verstehen, weil auch sie vertrieben wurden und deshalb ihren eigenen Staat gegründet haben. Sie hält sich aber aus dem jüdisch-arabischen Konflikt heraus, weil es nicht ihr Konflikt ist.

Mitri Raheb ist 1962 in Bethlehem geboren und dort seit 25 Jahren Pfarrer der ev.-lutherischen Weihnachtskirche. Durch sein Engagement hat er in Bethlehem und in der gesamten Westbank sehr viel erreicht. Er hat Schulen, Weiterbildungszentren, Begegnungsstätten gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Seit Jahrzehnten bemüht er sich um die Verständigung zwischen Christen und Moslems, zwischen Palästinensern und Israelis. Die Ursachen für den Konflikt sieht er einerseits bei den Palästinensern selbst, weil sehr viele Palästinenser, viel zu wenig für ihr Land tun und lieber auf den Frieden in der fernen Zukunft warten. Andererseits sieht er keine Zugeständnisse durch die Israelis, die Palästinenser wie Gefangene weg sperren. Nach 25 Jahren unermüdlichem Kampf um ein freies, selbstbestimmtes Palästina ist Mitri Raheb ausgebrannt und hat keine Hoffnung mehr, dass sich etwas ändert.

Daoud Nassar (44) ist palästinensischer Christ, hat sein Abitur in Bethlehem, die Matura in Österreich abgelegt. An der Universität von Bethlehem hat er Betriebswirtschaft und an der Fachhochschule Bielefeld internationalen Tourismus studiert. Seit zwanzig Jahren kämpft er im besetzen Gebiet um den Weinberg seiner Familie. Den versucht der israelische Staat zu enteignen, um darauf eine jüdische Siedlung zu errichten. Daoud geht deshalb durch alle gerichtlichen Instanzen. Trotzdem will er sich nicht als Opfer definieren, nicht wie andere Palästinenser gewaltsamen Widerstand leisten. Sein Credo: er will Gerechtigkeit mit legalen Mitteln erreichen und weigert sich ein Feind Israels zu sein. In dieser Haltung sieht er die mögliche Lösung für den Nahost-Konflikt.

Christianes Fazit der Reise: Auf beiden Seiten leben interessante, liebenswerte Menschen. Das Heilige Land ist für alle die gemeinsame Heimat. Sie sich gegenseitig streitig zu machen, die Kultur, die Existenz des anderen nicht zu akzeptieren, ist der Kern des Konfliktes. Eine Lösung kann es nur geben, wenn sich jeder gegenseitig so akzeptiert, wie er ist und alle Palästina als ihre gemeinsame Heimat anerkennen. Solange das nicht der Fall ist, genügt ein Funke, um den Konflikt eskalieren zu lassen.

EP, 54 min, 2014