Kohle, Holz und Apfelsaft

Bei Jörg Fiedler, dem einzigen „Festbrennstoffhändler“ in Stendal, herrscht Hochbetrieb. Früh um halb sieben geht es los. 25 Tonnen Kohle und etliche Zentner Holz liegen auf dem Hof. Alles muss gewogen und in Säcke abgefüllt werden. Andrej und Konstantin Lang schuften zusammen mit ihrem Kollegen Boris Galster im Schweiße ihres Angesichts. Ihr Chef packt auch mit an. „Ich bin in die Sache einfach so reingerutscht“, lacht der 47-Jährige. Jahrelang hat der gebürtige Stendaler in Berlin als Tischler gearbeitet. 1989 ist er zurückgegangen in seine alte Heimat, hat seinen Traum von der Selbständigkeit wahr gemacht und von Eva-Maria Steinmeyer die Kohlenhandlung übernommen. Kaum ist der Kohlenstaub auf dem Hof verflogen, stehen auch schon die Kleingärtner aus der Umgebung Schlange. Heute ist Obstannahmetag und Eva-Maria Steinmeyer wiegt die vielen Äpfel, die ihre Stammkunden geerntet haben. Der Handel mit Obstsäften ist das zweite Standbein der kleinen Firma, die 1919 von ihrem Großvater als Schnaps-, Wein-, Essig- und Saftproduktion gegründet worden ist. „Früher sind die Äpfel manches Jahr am Baum verfault. Keine Zeit, zu viel Arbeit und was sollte ich auch damit? Aber jetzt, wo alles so teuer geworden ist, ist der eigene Saft eben wieder was wert.“, meint eine junge Frau, die grad ein paar Stiegen aus ihrem Kleinwagen lädt. Jörg Fiedler hilft ihr dabei. Allerdings wird hier kein Saft mehr produziert. „Das wäre viel zu aufwendig“, so der Firmenchef. „Außerdem müssten wir die ganzen Anlagen dazu anschaffen. Aber mal sehen, wenn das Geschäft weiter so boomt, kann man ja immer noch drüber nachdenken.“ Seit knapp zehn Jahren explodieren die Energiepreise. In der Folge boomt der Handel mit Kohlen und Brennholz. Immer mehr Leute wollen von den teuren Energieversorgern weg und heizen wieder mit Öfen und Kaminen. Andrej und Konstantin wuchten die schweren Säcke auf den LKW. „Kohlen-Fiedler“ liefert hundert Kilometer im Umkreis aus. Heute werden sie den ganzen Tag unterwegs sein. Die Auftragsbücher sind voll. Das war nicht immer so. „Andere Händler sind am Heizölgeschäft krachen gegangen. Zum Glück hatte ich da den richtigen Riecher und hab es gelassen. Trotzdem war es kein Zuckerschlecken, aber ich hab mich nicht bis über beide Ohren verschulden müssen. Und jetzt läuft es super. Ich kann mich absolut nicht beklagen“, freut sich Jörg Fiedler. „Kohle, Holz und Apfelsaft“ ist eine Reportage über einen pfiffigen Kohlenhändler, dem es gelingt, von der Energiekrise zu profitieren.

MDR, 30 min, 2010